Wolfgang Singer beschreibt hier, wie das Bewusstsein aus seinen rein materiellen Bedingungen nicht erklärbar ist und versucht es über Iteration von strukturellen Prozessen.

Erfahrungen wie freier Wille und autonomes Selbst, werden von körperlichen Erfahrungen ontologisch verschieden wahrgenommen.
Stammesgeschichtlich zeigt sich ein kontinuierlicher Evolutionsprozess des Daseins/So-seins, ohne ontologische Sprünge.
Wie ergeben sich die Phänomene der Emergenz mentaler Qualitäten, wobei das Bewusstsein als Phänomen-Sammlung angenommen werden kann?
Ein epistemologisches Problem zeigt sich beim Erklären nun darin, dass Erklärendes und Erklärtes verschmelzen.
Laut klassischer Auffassung ist der Organismus evolutionär optimiert, so dass die Lebenserhaltung bis zur Reproduktion gewährleistet ist.
Seit Jahrmillionen sind die gleichen biochemischen Bestandteile, genetisch beinahe, mit funktionell wenig relevanten Modifikation identisch exprimiert, in der Schnecke – wie im Menschen.
Die Größe des Gehirns ist eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für kognitive Komplexität und Leistung. Anatomisch unterscheidet sind lediglich die Zunahme der Großhirnrinde, im Vergleich derer anderer Säugetiere.
Die Kommunikation zwischen Nervenzellen läuft sowohl zwischen benachbarten als auch weit entfernten Hirnstrukturen.
Anders als in technisch realisierten Rechnersystemen ist bei neuronalen Strukturen, wie dem Gehirn, keine Trennung zwischen Hard- und Software (bzw. Programmstruktur und Datenstruktur) möglich.
Der Algorithmus zur Datenverarbeitung spiegelt sich also in der Art und Weise der Verschaltung der Netzwerkstruktur wider. Also sind die Verarbeitungsschritte der Großhirnrinde sehr allgemeiner Natur, jedoch schaffen diese durch Iteration prinzipiell gleicher Verarbeitungen nun völlig neue qualitative Erscheinungen.
Auch vom Aufbau her sind Hirnstrukturen, die für unterschiedliche Aufgaben stehen – etwa Sehen und Hören – hinsichtlich ihrer internen Struktur weitgehend ident. Dies legt die Vermutung nahe, dass ein iterativer Verarbeitungsalgorithmus in der Struktur codiert ist, der für immer verschiedene kognitive Leistungen herangezogen werden kann.
Das Bindungsproblem ist die Frage, wie sich aus ohne dafür dedizierte Nervenzellen, aus distributiven Netzstruktur dennoch ein koordiniertes Verhalten und eine kohärente Wahrnehmung ergeben.
Von Sinnesorganen hin zu den stammesgeschichtlich frühen Gehirnstrukturen erflogt die Verarbeitung meist noch seriell, jedoch mit zunehmend höheren kognitiven Strukturen dann parallel, die meist auch reziprok miteinander verbunden sind. So veranschaulicht am optischen Wahrnehmungsprozess.
Vergeblich such man also nach einem Konvergenzzentrum, das das Bindungsproblem löst. Ein Konvergenzzentrum ergibt sich zB was die Kontrolle der Aufmerksamkeit betrifft, das sich nach einem Wettbewerbsprozess zwischen verschiedenen Arealen dafür sorgt, dass wir uns lediglich nur einer Aufgabe ganz zuwenden.
Aus dem Fehlen eines Konvergenzzentrums selbst bei Sinnesübergreifenden Prozessen entspringt die Frage nach den emergenten Qualitäten und Leistungen eines selbst organsierten Prozesses. Dazu lässt sich wiederum aus dem optischen Erkennungsprozess ableiten, dass ein Segmentierungsprozess notwendig ist der gewisse Nervenstrukturen miteinander koppelt. Diese Kopplung wird vermutlich durch eine zeitliche Kohärenz erzielt, die sich etwa mit 40 Hz abspielt (Anm. so könnte man eventuelle ein Art Gehirnaktfrequenz annehmen, die im Gegensatz zum Computer allerdings keine einzelnen Verarbeitungsschritten, sondern Verarbeitungsarrangements in distributiven Nervenzentren entspräche, sozusagen Gedankenstrukturen, die sich mit einer Geschwindigkeit von 40Hz abspielen).
Zitat: „Hinweise, die Hypothese, daß Neuronen in der Hirnrinde, die sich mit der Repräsentation des gleichen Objekts befassen, sich dadurch als zusammengehörig zu erkennen geben, daß sie ihre Aktivität synchronisieren. Die Signatur eines Ensembles wäre demnach die zeitliche Kohärenz der Aktivität der jeweils teilhabenden Neuronen. Die zeitliche Auflösung, mit der diese Signatur definiert wird, liegt dabei im Bereich von Millisekunden. Entsprechend hoch ist die Taktfrequenz, mit der verschiedene Ensembles aufeinander folgen können. Experimentelle Befunde legen nahe, daß die Synchronisationsprozesse auf der Basis von Oszillationen im 40Hz-Bereich erfolgen.“
Die Fähigkeit zur Reflexion, also des „inneren Auges“ entspricht einer Art weiterer Iteration in der Verarbeitung, der Anwendung auf sich selbst, der gleichen kognitiven Operation.
Interessant scheint, dass insbesondere auch die kognitiv höheren Areale, die zur Metarepräsentation erforderlich sind, genau dann aktiv sind, wenn es sich bei solch einem nur einen iterativen, also rein imaginierten Prozess handelt.
Bewusstsein ist durch seine Prägung im frühkindlichen Alter und im zwischenmenschlichen Austausch angelegt, also Großteils kulturabhängig. Auch sind Wahrnehmungen – wie die eine freie Entscheidung – vielleicht nur illusionär.
Zitat: „Nur ein Bruchteil, der im Gehirn ständig ablaufenden Prozesse ist für das innere Auge sichtbar und gelangt ins Bewußtsein. Unsere Handlungsbegründungen können folglich nur unvollständig sein und müssen a posteriori-Erklärungen miteinschließen.“