Werner Heisenberg – Der Teil und das Ganze

Gespräche im Umkreis der Atomphysik

Der Physiker Werner Heisenberg beschreibt in diesem Buch seine persönliche Reise durch die Zeit, die Entwicklung der Atom- und Quantenphysik und die philosophischen und politischen Invarianten die sich im Verlauf seines Lebens aus den prägenden Ereignissen nach dem ersten Weltkrieg, in der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges und zur Nachkriegszeit wie und warum etabliert haben.

Das Buch ist chronologisch gegliederten und beschreibt in den Kapiteln jeweils prägende Jahresabschnitte seines Lebens, schildert die Ereignisse und Wendungen und setzt sie in Bezug zu seinem Wirken.

Die komprimierte Reise durch Heisenbergs Lebensgeschichte ist spannend geschrieben und frei von mathematischer oder physikalischer Komplexität, die ihn fachlich auszeichneten. Seine Schilderungen sind getragen von den Empfindungen, den Analogien der Erkenntnis, den Gesprächen mit den bedeutendsten Physikern und Politkern seiner Zeit, sowie mit den einfachen und für ihn Bedeutung gebenden Menschen des jeweiligen geschichtlichen Kontexts.

Herausragend zeigt sich Heisenberg als Stoiker, der in den Wendungen seiner Zeiten, seine Prinzipien und Wertmaßstäbe entwickelt und getreu agiert.

1. Erste Begegnungen mit der Atomlehre (1919-1920)

Heisenberg beschreibt die Zeit nach dem 1. Weltkrieg als eine Suche nach Orientierung, wo die alten Werte nicht mehr Halt versprachen und neue nicht angeboten werden konnten. Er erzählt vom Widerstreit einer alten und neuen Ordnung und einer Ordnung die „die ganze Menschheit umfassen sollte – obwohl diese Menschheit außerhalb Deutschlands in ihrer Mehrheit vielleicht gar nicht daran dachte, eine solche Ordnung errichen zu wollen?“ (S.18)

Politisch ist er auf der Suche nach einer Mitte: „Das Fehlen“ einer „wirksamen Mitte wurde mir immer quälender bewusst, je länger ich zuhörte; [..] aber ich wäre selbst nicht im Stande gewesen, aus dem Dickicht der widerstreitenden Meinungen einen Weg in den zentralen Bereich zurückzufinden.“

Seine Entwicklung hin zu einem forschenden und reflektierenden Menschen vollzog sich vielfach in Gesprächen mit Freunden und seinem wissenschaftlichen Umfeld. Vielfach waren diese Gespräche entstanden aus Begegnungen in der Natur, und viele der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse formuliert er auch als Analogien in alltäglichen Phänomenen der Natur, in Form von Gleichnissen, die in Gesprächen in diesem Buch in ihren wesentlichen Zügen wiedergegeben werden.

„Wir können die Dinge nicht direkt wahrnehmen, wir müssen sie zuerst in Vorstellungen verwandeln und schließlich Begriffe von ihnen bilden.“ (S. 12)

„Ein Verständnis des fast unentwirrbaren und unübersehbaren Gewebes der Naturerscheinungen war doch wohl nur möglich, wenn man mathematische Formen in ihm entdecken konnte.“ (S. 17)

2. Der Entschluss zum Physik Studium (1920)

Die Auseinandersetzung mit den mathematischen Methoden und den dahinterliegenden abstrakten Gedankengebäuden der Relativitätstheorie führten Heisenberg zunächst zu einem Studium der Mathematik. Nach Gesprächen mit leitenden Professoren in Mathematik und anschließen Physik, war für ihn der Weg über die Physik klar.

So meinte Prof. Sommerfeld an der Universität München zu Heisenberg, „Sie müssen mit bescheidener, sorgfältiger Arbeit im Bereich der traditionellen Physik anfangen. [..] Sie müssen mit großer Sorgfalt leine und Ihnen zunächst unwichtig scheinende Aufgaben bearbeiten. Wenn solche großen bis in die Philosophie reichenden Probleme zur Diskussion stehen wie die Einstein’sche Relativitätstheorie oder die Planck’sche Quantentheorie, so gibt es [..] viele kleine Probleme, die gelöst werden müssen und die erst in ihrer Gesamtheit ein Bild des neu erschlossenen Gebiets vermitteln.“ (S. 27)

In seinen Abwägungen zwischen einer musikalischen und physikalischen Schwerpunktsetzung sieht er in der Musik in seiner Seit in ein Experimentierstadium getreten, in der Physik hingegen sieht er Fragestellungen zu philosophischen Grundpositionen wie „die Struktur von Raum und Zeit und die Gültigkeit des Kausalgesetzes, in Frage gestellt“ (S. 29)

Die Interessanten Probleme findet er in der Atomtheorie, warum es „in der materiellen Welt wiederkehrende Formen und Qualitäten gibt. Warum z.B. die Flüssigkeit Wasser mit all ihren charakteristischen Eigenschaften immer wieder neu gebildet wird. [..] An dieser Stelle müssen also Naturgesetze ganz anderer Art wirksam werden, die dafür sorgen [..] dass Stoffe mit immer den stabilen Eigenschaften entstehen. [..] So müssten man [..] die ganze Chemie auf die Physik der Atome zurückführen können“ (S. 32)

An mehreren Stellen zeigt sich seine stoische Geisteshaltung „wenn [..] sich zur gleichen Zeit bedeutende Entwicklungen in vielen Künsten und Wissenschaften vollziehen; man muss [..] dankbar sein, [..] wenn man an einer solchen Entwicklung unmittelbar als Zuschauer oder als aktiv Mitwirkender teilnehmen kann.“ (S. 35)
„Immer zugleich Zuschauer und Mitspieler im großen Drama des Lebens.“ (S. 288)

Er lernt Wolfgang Pauli im Hörsaal kennen. Es ergibt sich eine Freundschaft über die gemeinsame Leidenschaft an der Physik. Pauli erklärt, dass die spezielle Relativitätstheorie abgeschlossen ist, und sie wie die klassische newtonsche Physik einfach zu lernen sei. Hingegen in der allgemeinen Relativitätstheorie nicht „im gleichen Sinne abgeschlossen“, „Aber diese Theorie eröffnet neue Denkmöglichkeiten“, Pauli findet die Atomtheorie noch viel Interessanter, weil viele Experimente sich widersprechen: „die Aussagen der Natur an einer Stelle scheinen denen an einer anderen Stelle zu widersprechen“. (S. 37)

Er ist beseelt vom Geist Goethes und kennt seinen „Faust“ auswendig und zitiert ihn stellenweise. Z.B. wo der Hund im Mathematik-Professorenzimmer im verheißt wie in Goethes Pudel als der „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (S.38). Vielfach sieht er sich in einer analogen Rolle wie Faust – als dem nach Erkenntnis strebenden Forscher, der dabei sich dabei oft mit dem Teufel konfrontiert sieht.

3. Der Begriff „Verstehen“ in der modernen Physik (1920-1922)

In den Gesprächen mit Wolfang Pauli und Otto Laporte entwickelt sich für ihn die Bedeutung des physikalischen Verstehens. So meint Otto, dass sich lediglich aus der Schulphilosophie der Gedanke einer festen Bedeutung von Raum und Zeit ergeben hätte, so also diese „Philosophie der systematische Missbrauch einer eigens zu diesem Zwecke erfundenen Nomenklatur“ sei. (S. 42) Jeder Absolutheitsanspruch sei von vornherein abzulehnen. In Wirklichkeit sollte man nur solche Wörter und Begriffe benutzen, die unmittelbar auf (direkt oder indirekt durch physikalische Messapparate) sinnliche Wahrnehmung bezogen werden können. Und Otto meint weiter, dass „sobald eine Theorie gestattet, das Ergebnis der Beobachtung richtig vorherzusagen“ diese Theorie alles für das Verständnis Nötige liefere.

Pauli ergänzt dazu zwei zumindest wichtige Voraussetzungen, so müssen die Vorhersagen der Theorie eindeutig und in sich widerspruchsfrei sein. Und es muss aus der begrifflichen Struktur der Theorie hervorgehen, auf welche Phänomene sie angewandt werden kann und auf welche nicht. Pauli sieht im >Verstehen< ganz allgemein, „Vorstellungen, Begriffe besitzen, mit denen man eine große Fülle von Erscheinungen als einheitlich zusammenhängend erkennen, un das heißt: >begreifen<, kann.“ (S. 45)

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